Sie brachen in Gel?chter aus. In diesem Augenblick schlossen sie Frieden. Man k?nnte sogar sagen, dass hier die Beziehung der beiden frischgebackenen Freundinnen entstand.
„Und jetzt erz?hl weiter. Was passiert dann? Raus damit!“
„Also, der Ausl?nder wird von der ganzen Familie empfangen. Der Vater in Popenkutte, Mutter mit Kopftuch und die Tochter als potentielle Braut.“ Manchmal spielte Stella selbst die Rolle der Tochter und der Braut. Wenn nun der Br?utigam einem anderen Glauben angeh?rte und zum Beispiel Katholik, Protestant oder Jude war, forderten die Eltern der Braut nachdr?cklich, dass der Br?utigam seinen Glauben ablegte und ein orthodoxer Christ w?rde. Die potenziellen Ehegatten erwarteten diese Wendung nat?rlich nicht. Sie reagierten geschockt und ratlos. Aber wenn man schon da war, was wollte man da machen, es musste eben sein. Besonders, wenn die Braut h?bsch und jung war. Was tat man nicht alles f?r so ein nettes Kind. Die Br?utigame selbst waren meistens 50 oder ?lter. Mit ihnen gab es wenig Probleme. Die Alten stimmten allem zu, glaubten an M?rchen und die wahre Liebe. Aufgedunsene Kindersch?nder, Geschiedene oder einfach in ihrer Heimat ausrangierte, gewissenlose alte Arschl?cher. Sie nutzten die schwierige Situation im Land aus und kamen, um sch?ne zwanzigj?hrige M?dchen zu heiraten.
Nach dem Empfang im Flughafen lief eine ganze Theaterauff?hrung ab. Stella mietete ein Haus, das das Haus der Eltern darstellen sollte und f?r die Unterbringung des Br?utigams w?hrend seines Aufenthalts vorgesehen war. Es lag weit au?erhalb der Stadt, neben einem vergessenen, verfallenen Kirchlein, in dem die armen Ausl?nder den Glauben wechseln mussten, weil die Eltern auf einer kirchlichen Trauung vor der standesamtlichen bestanden. Um diesen Wunsch der Familie nach religi?ser Einigkeit wurde nicht gestritten. Schlie?lich waren Forderungen dieser Art im Lauf der Kirchengeschichte keine Ausnahme.
Die Firma besorgte dem Br?utigam einen Dolmetscher und, wenn er wollte, einen Leibw?chter – gegen angemessene Bezahlung. Auch sie waren Schauspieler und Betr?ger.
Alle Teilnehmer der Auff?hrung begaben sich ins Dorf, um die Hochzeit zu feiern. Zuerst ?berreichte der Vater seinem angehenden Schwiegersohn ein Gebetbuch auf Englisch oder gegebenenfalls in einer anderen Sprache. Der musste es durchlesen und mit aller Ernsthaftigkeit zum Kern der Sache vorsto?en. Das Beten dauerte ein paar Tagen und alle kirchlichen Regeln wurden eingehalten. Bald verging dem Br?utigam alle Freude. Schlafen musste er ja auch allein und zuvor noch im Gebet versinken. Es war au?erdem streng verboten, die Braut vor der Hochzeit zu ber?hren.
Dabei tr?umte von nichts anderem als davon, die prallen Titten anzufassen. Der Teufel sollte sie holen, diese verdammten Fr?mmler! H?tte er das vorher gewusst, h?tte er eine andere ausgew?hlt.
„So ein Reinfall!“, fluchte der Ausl?nder beim Abendgebet und sein Doppelkinn wabbelte wie S?lze. Dabei wusste der arme Kerl noch gar nicht, dass die ?berraschungen in der Ukraine f?r ihn gerade erst begonnen hatten. Nach der erfolgreichen Konversion fingen die Hochzeitvorbereitungen an. Einladungen wurden an arme Verwandten der Braut geschickt, von denen viele keine M?glichkeit hatten, Flugtickets zu kaufen, um bei der langersehnten Feier dabei zu sein. Das Geld f?r die Tickets musste nat?rlich das junge Paar schicken. Das Kleid und das Festessen f?r hundert Personen, dazu eine Limousine, waren ebenfalls zu bezahlen, achtzig Prozent des Preises sofort als Vorschuss. Die Geldangelegenheiten erledigte die Agentur. Sie hob die erforderlichen Summen vom Bankkonto des Ausl?nders gegen Unterschrift ab. In puncto Geld vertrauten die Ausl?nder der Agentur mehr als den zuk?nftigen Verwandten. Sie dachten, diese seien als Gottesdiener zu weit von weltlichen Sorgen entfernt.
Und so kam der Tag der Hochzeit. Der Brillantring am Finger. Der Br?utigam mit dem Spitznamen „S?lze“ hat sich Viagra besorgt, um die ganze Nacht fit zu sein und der jungen Frau zu beweisen, dass er noch ein ganzer Kerl war. Ein altes Sprichwort lautet: „Mit einem alten Hund hat man sicherste Jagd!“ Wenn er seine Tabletten bekommt, wird er schon wenigstens ein Mal im Monat seine Gattenpflicht erf?llen k?nnen.
Natalja sa? da wie versteinert, auch wenn sie nicht wusste, warum, und h?rte der lebhaften Stella zu. Ihr fiel auf, wie diese das Wort „Gattenpflicht“ aussprach und dabei das Gesicht verzogt und die Nase r?mpfte! Es war ihr klar, dass Stella die alten Idioten ohne weiteres bestrafte, und das von ganzem Herzen und mit Eifer.
„Warum sprichst du ?ber dich in der dritten Person?“
„Ich versuche, dir ein Bild der Situation zu vermitteln, und so geht es einfacher.“
„Bisher gef?llt mir das alles schon sehr!“
„Also. Die Hochzeit ist jetzt f?r morgen angesetzt“, setzte Stella ihre unglaubliche Erz?hlung fort. „Aber es kommt anders! Es stirbt die Mutter der Braut, oder der Vater, die Schwester, der Bruder. Egal wer. Kommt bei einem Autounfall um oder ertrinkt, stirbt bei einem Brand, es spielt keine Rolle.
Trauer! Hochzeit wird abgesagt! Welch ein Kummer! Und zu so einem Zeitpunkt kann doch kein Br?utigam seine Braut im Stich lassen. Da muss man sich um die Beerdigung k?mmern, was denn sonst! Die Beerdigung geht auch auf Kosten des Br?utigams, dieses Mal mit Tr?nen in den Augen aller Verwandten, mit der Bitte, ihnen Geld zu borgen, und Versprechungen wie: ‚Wir schw?ren, ein P?ckchen mit B?ndeln voller Geld aus Wladiwostok an Ihre Adresse zu schicken. Ganz bestimmt, irgendwann‘. Der Ausl?nder stellt gew?hnlich die Bedingung an die Agentur, dass die Hochzeit unbedingt gleich nach dem Begr?bnis stattzufinden hat, weil er wieder zur Arbeit muss.
Die Firma stellt ihm ein Dokument aus, in dem seine Forderung vereinbart und niedergeschrieben wird. Er beruhigt sich und besch?ftigt sich mit dem Begr?bnis.
‚Was habe ich mir da nur eingebrockt!‘, denkt S?lze und wei? nicht, dass er noch nicht alle Geschenke im Rahmen dieses ukrainischen Spektakels bekommen hat.
W?hrenddessen werden im Theater die Leidenschaften angefacht. Stella bestellt einen Sarg. Gew?hnlich ist er geschlossen. Das wird damit erkl?rt, dass die Leiche verst?mmelt und die zerfetzten Fleischst?cke nicht sch?n anzuschauen w?ren. Bei diesen Worten gefriert S?lze das Blut in den Adern. Er ist ?beraus froh, dass der Sarg geschlossen ist.“ So war es m?glich, eine Kiste mit oder noch besser ohne Ziegelsteine zu begraben, denn die Dorfalkis, die die Verwandten der Braut aus Nowosibirsk oder Wladiwostok spielten, die auf Kosten des Br?utigams zur Hochzeit gekommen waren, hatten in der Regel nicht genug Kraft, um einen Sarg mit Ziegelsteinen hochzuheben. Das h?tte die tadellos durchdachte Auff?hrung der talentierten Regisseurin vollkommen ruinieren k?nnen!
Wowan, der Friedhofsw?chter, hielt immer ein Erdloch f?r das Begr?bnis parat. Daf?r bekam er ein Honorar, das aus drei Kisten Schnaps f?r ihn und ein paar T?ten S??igkeiten f?r seine Kinder bestand. Und Blumen f?r seine Frau konnte er, sobald die Zeremonie vorbei war, ganz nach Geschmack ausw?hlen, bitte sehr! Frische Blumen! Er hatte ?berhaupt nichts dagegen, eines guten Menschen zu gedenken. Nur die angeheuerten Klageweiber nervten ihn. Sie brachten den sensiblen, besoffenen Wowan jedes Mal fast zum Herzinfarkt.
„Ja, ich wei? doch, dass ihr Betr?gerinnen seid! Abzockerinnen! Und dass der Sarg leer ist! Die Weiber heulen aber so bitterlich zur Musik, dass mir selber ohne Ende die Tr?nen kommen! Ich versteh gar nicht, warum. Ich bin wohl zu empfindlich geworden auf meine alten Tage.
„Du solltest nicht so viel trinken, Onkel Wowa!“, lachte Stella.
„Wie nicht so viel trinken? Ihr macht doch hier die ?ppigen Gelage! Die Tische sind ?bervoll. T?chterchen, bitte! Lad diese unertr?glichen alten Weiber nicht mehr ein“, flehte Wowan sie an. „F?r eine Kiste Wodka heule ich dir selber wie ein Wolf, zwei Stunden am St?ck, wenn es sein muss! Schau, euer Amerikaner, der vorige Br?utigam, hat lauthals geweint. Ihr habt sogar diesen zwei Meter hohen Kampfstier fertiggemacht!“
„Hahaha!
Geh nach Hause, du bist schon ganz blau! Laberst Unsinn! Deck morgen das Erdloch ab, dass es niemand sieht.“
„Wer soll das sehen? Das ganze Dorf feiert morgen bei eurem Begr?bnis! Sie wachen erst n?chste Woche wieder auf.“
„Hahaha!“, lachte Natalja. Sie h?rte Stella gespannt zu. Sie sah in ihr einen starken Menschen, der vor nichts Angst hatte und k?mpferisch durchs Leben ging. Sie verdiente ihr Geld als Gaunerin und nicht als Nutte. Sie hatte keine ausgepr?gte Sexualit?t. Die spitze Habichtsnase bezeugte ihren unersch?tterlichen Charakter. Helles Haar, direkter Blick, sch?ne gro?e, braune Augen und ein schlanker K?rper.
Unwillk?rlich dachte Natalja: „Was findet er an ihr, dieser Slawik aus der Pr?sidentenadministration? Er sprach von ihr mit so viel Begeisterung und Respekt.“
Die beiden M?dchen sa?en sich gegen?ber und begriffen, dass sie sich gegenseitig erg?nzen k?nnten. In ihrem Inneren erkannten sie, dass dies eine schicksalhafte Begegnung f?r sie beide war. Sie waren absolut unterschiedliche und doch vollkommen gleich eiskalte Luder.
„Und was passiert dem Ausl?nder als n?chstes?“, fragte Natalja. Sie brannte darauf, auch den Rest zu h?ren.
„Nach der Beerdigung gehen alle zum Br?utigam schlafen. Nachts kommt eine Prostituierte, angeblich um mit ihm zu reden, und verf?hrt ihn im Schlafzimmer. Die Nutte spielt, sagen wir mal, die Rolle einer unverheirateten Cousine der Braut. Laut Textbuch versucht sie bereits beim Begr?bnis, mit S?lze zu flirten. Bei ihren ?ppigen Kurven schmilzt er dahin. Sp?ter am Abend kommt die Braut pl?tzlich herein, um ihrem Geliebten gute Nacht zu sagen und ertappt ihn mit der nackten Cousine. Der treulose M?chtegern-Ehemann bekommt seine wohlverdiente Ohrfeige. Allerdings darf man sie nicht zu fest schlagen. Die Armen haben schon genug Angst vor den unsrigen. Der Br?utigam darf uns nicht ins Gras bei?en. Gott bewahre, dann m?ssten wir doch noch einen echten Toten begraben! Im Endeffekt ist die Braut geschockt, hat einen Nervenzusammenbruch. In diesem Fall braucht sie dann von ihm unbedingt noch eine Kurreise nach Truskawez, f?r mindestens drei Wochen. Um die Nerven ein wenig zu regenerieren.“
Natalja hielt sich den Bauch vor Lachen.
„Du, Stella, nicht einmal die vom Bolschoi-Theater machen dir Konkurrenz!“
„Ich bin keine talentierte Schauspielerin, ich bin Dramaturgin… In solchen F?llen ist die Agentur nicht verpflichtet, dem Br?utigam sein Geld zu erstatten. Der Typ wird zum Flughafen begleitet und muss ledig nach Hause fliegen. Nat?rlich ist er emp?rt und droht der Agenturdirektorin, sie zu verklagen. ‚Verfluchte Deppen! Warum habt ihr mir nicht gesagt, dass sie aus einer Idiotenfamilie stammt?‘
‚Sie wollten ein M?dchen aus einer anst?ndigen Nichttrinkerfamilie kennenlernen! Entsprachen die Gottesdiener etwa nicht Ihren Anforderungen?‘
‚Mal haben sie Feier, mal ein Begr?bnis! Wof?r habe ich eigentlich bezahlt? Und was jetzt?‘
‚Laut Aussage der Verwandten, haben Sie Ihre Auswahl zugunsten der Cousine der Braut ge?ndert. Die Braut musste einen Psychiater aufsuchen. Sie haben ihr ein schweres seelisches Trauma zugef?gt. Die Genesung wird lange dauern. Seien Sie froh, dass sie mit Ihnen nichts zu tun haben will und sie nicht vor Gericht verklagt hat, wie es die Verwandten der vor dem Altar verlassenen M?rtyrerin ohne Zweifel w?nschen.‘
‚Was sagen Sie? M?rtyrerin? Ich habe dieser frommen Schlampe und ihren bettelarmen Verwandten Kleidung und Schuhe gekauft! Einige von ihnen betteln mich jeden Morgen um Geld an!‘
‚Diese verdammten hirnlosen Dorfalkis! Die kriegen auch nie genug!‘, dachte die Agenturdirektorin, sagte aber kein Wort.
‚Es tut mir sehr leid, aber Ihre Schuld ist offensichtlich, deshalb steht Ihnen keine R?ckzahlung zu. Apropos: Sie k?nnen den Kontakt zu der nackten Person, die in Ihrem Zimmer angetroffen wurde, weiter pflegen. Wir bieten Ihnen die Dienstleistungen unserer Agentur auch zu diesem Zweck an.‘
‚Oh no! Thanks! Ich habe die Nase voll von Ihren anst?ndigen Prostituierten! Sie ist schnurstracks nackt in mein Schlafzimmer gekommen! Gottesl?sterin!‘
‚Augenzeugen berichten, Sie w?ren gar nicht abgeneigt gewesen, diese Gottesl?sterin in Ihrem Schlafzimmer zu sehen, eher im Gegenteil… hm. Sie h?tten sie ja aus Ihrem Schlafzimmer werfen und sich bei Hochw?rden ?ber das verirrte Schaf beschweren k?nnen. Der h?tte sie ordentlich verpr?gelt.‘
‚Solche Sch?fchen wirft man nicht aus dem Schlafzimmer!‘, l?chelt S?lze ?ber das ganze Gesicht voll k?nstlicher Z?hne, als in seinem Ged?chtnis jene verh?ngnisvolle Nacht aufscheint, die seine einzige angenehme Erinnerung an diese Reise auf der Suche nach reiner Liebe darstellt.
‚Da Sie selbst zugeben, dass Sie der Unzucht und der Untreue schuldig sind, k?nnen Sie keinerlei Anspr?che gegen?ber unserer Agentur erheben. Au?erdem wurden alle diese Punkte vertraglich vereinbart und von Ihnen pers?nlich unterzeichnet. Nicht wahr?‘
‚Ich wei? nicht mehr, was da stand. Sobald ich in den USA lande, zeige ich Ihre Dokumente meinem Rechtsanwalt!‘
‚Gut, Mister Cloud. Ich w?nsche ihnen einen angenehmen Flug.
‘Auf Wiederh?ren.‘“
„Ihr seid wirklich unglaublich!“, schrie Natalja. „Es war echt super! Als ob ich mit dir einen Krimi geschaut h?tte! Einfach toll!“
„Und das war nur einer von mehreren F?llen. Die Auff?hrungen sind immer unterschiedlich, werden f?r jedes einzelne Opfer extra entwickelt. Wir untersuchen Gewohnheiten, Horoskop, Hobbys und Charakter im Laufe seines Briefwechsels mit der Braut.“
„Du bist eine wahre Psychologin, verdammt! Bravo!“
„Danke.“ Stella l?chelte nett. Aufmerksam betrachtete sie die ideale Kandidatin f?r ihren n?chsten genialen Plan, die ihr gerade gegen?bersa?.