„Lesen allein reicht nicht, um sich Wissen anzueignen! Du musst den Sinn verstehen! Um dich mit einem Text auseinanderzusetzen, musst du vollkommen n?chtern sein! Aber du verstehst gar nicht, worum es sich handelt“, hatte der Dekan sie einmal angefahren.
Worauf er eine Antwort bekam, die zu h?ren er mehr als alles andere im Leben f?rchtete:
„Schatz, sieh es ein. Ich muss mein Studium abschlie?en, koste was es wolle! Und du hilfst mir dabei! Sonst m?sste ich doch einmal deine Frau kennenlernen und bei einer Tasse Tee ein nettes, aber ganz bestimmt langes Gespr?ch mit ihr f?hren.“
Er wusste, dass sie zu dieser Gemeinheit sehr wohl f?hig war. Und er wollte auf keinen Fall seine Familie verlieren, die f?r ihn letztendlich eine Art R?ckendeckung war. Sein Haus empfand er als eine Art Tempel der Ruhe.
Vielleicht w?rde ihm seine Frau den Seitensprung verzeihen, aber wahrscheinlich w?rde sie ihn nie mehr in Ruhe lassen. Er bek?me garantiert Vorw?rfe zu h?ren und w?rde st?ndig ?berwacht. Wenn seine gescheite Frau auch nur den kleinsten Anlass zu einem Verdacht f?nde, w?rde sie sicher noch interessante Dinge entdecken. Er war nun einmal nicht der fr?mmste und treuste Ehemann.
Natalja hatte wohl ein bisschen Mitleid mit ihm, aber er lie? ihr keine Wahl. Sie musste sie den Langweiler unter Druck setzen und beschenkte ihn mit den verschiedensten Sachen – mit Schweizer Schokolade, K?se, fruchtigen Lik?ren, allerlei Delikatessen, die sie von den Ausl?ndern erhielt. Au?erdem lutschte sie sein schlaffes Glied einmal in der Woche, nach Stundenplan, wie sie es auch in den vergangenen Jahren immer getan hatte.
„Meiner Meinung nach ist das mehr als ein guter Preis f?r ein Diplom! Ich habe den alten Langweiler viel zu sehr verw?hnt!“
Saweli beschwerte sich im Prinzip auch nicht, er hatte nur Angst, seine Stelle zu verlieren, bevor er in den Ruhestand ging.
Endlich hatten die M?dchen genug Geld zusammengespart, um sich Autos leisten zu k?nnen!
Was f?r eine Freude! Und stolz waren sie ebenfalls! Die beiden parkten jetzt ganz souver?n ihre gleich aussehenden schwarzen Lexus-Offroader vor der Uni. Das Leben auf den eigenen vier R?dern war noch cooler als vorher! F?r sie schien es geradezu Geld zu regnen. Mit solchen Schlitten konnten sie ?berall und mit allen Kontakte kn?pfen. Sie schlossen Vertr?ge mit Hotels, Restaurants, Shops, machten ?berall Gewinn, waren von vielen Ausl?ndern umgeben. Sie hatten Spa? und am?sierten sich.
„Das nenne ich einen Job!“, sagte Nata. „Das reinste Kinderspiel!“
Die Freundinnen kauften f?r das Geld der Kunden verschiedene Waren ein und gaben sie am n?chsten Tag zur?ck. Auf diese Weise wanderten Hunderte von Dollar in ihre Taschen.
Stella war eine leidenschaftliche Person mit einer besonderen Vorliebe f?r Spielbanken. Sie spielte manchmal betrunken, setzte das ganze Geld auf Rouge und Noir und verlor st?ndig.
Natalja legte jeden Groschen auf die Seite. Sie hatte gemischte Gef?hle hinsichtlich der Verluste ihrer Freundin und Rivalin. Es war ihr selbst nicht klar, ob sie ihr Freude bereiteten oder doch eher Missfallen erregten. Aber nach einem verlorenen Spiel endete Stellas Abend gew?hnlich mit einer angenehmen Bekanntschaft. Das schmeichelte ihr und ?rgerte ihre Freundin.
Ihre Beziehung mit Sergej ging letzten Endes in die Br?che. Als er erfuhr, dass sie M?nner ausnahm, stellte er eine Bedingung:
„Entweder ich oder dein Job.“
Damit verurteilte er sich selbst zum Leiden. Stella trauerte einige Monate, aber dann wurden ihre Gef?hle von der Vernunft besiegt. Es war noch zu fr?h, eine Familie zu gr?nden. Au?erdem war der wichtigste Grund ihrer Gef?hle f?r Sergej die Tatsache, dass er die Schlampe an den Heizk?rper gefesselt hatte. Als Mann passte er kaum zu ihr. Er war ein eifers?chtiger Typ, der davon tr?umte, sie zu Hause bei Kindern und Eintopf einzusperren.
„Nein! Das lasse ich nicht zu! Ich werde ein bisschen leiden, und danach wird alles gut.“
Sie mochte M?nner von h?herem Niveau, die reich, beredt und weit gereist waren. Gew?hnlich traf sie solche M?nner im Kasino. Stella hielt sich f?r wohlhabend, aber sie wusste von ihrem Hang, mit Geld leichtsinnig umzugehen. „Geld heckt Geld“, war ihr Motto. Das war eine Tatsache des Lebens, so oder so.
Natalja dagegen w?rde ohne einen Sponsor nicht einmal bei McDonalds essen gehen. Deshalb gingen sie normalerweise getrennt aus und trafen sich nur zu dem einen Zweck, mit neuer Beute zu prahlen – sei es ein Banker, ein ausl?ndischer Tycoon oder ein ?hnliches Opfer. Dabei liebten es die beiden M?dchen, ihre Eroberungen auszuschm?cken. Nicht selten war ein junger Erd?l-Tycoon in Wirklichkeit nur der betagte Inhaber von einem Dutzend St?nden auf dem Markt, die allerlei Kram verkauften, oder ein Biergartenbesitzer. Lustig war es trotzdem!
Natalja ?berlegte, was sie machen w?rde, nachdem sie ihr langersehntes Diplom bekommen h?tte. Sie wollte ihrem Beruf nachgehen und die erworbenen Kenntnisse in der Praxis einsetzen. Dabei war sie sich hundertprozentig sicher, dass sie im Vergleich zu den anderen die Beste w?re. Sie behauptete, dass sie ihre Diplomarbeit ohne jede Hilfe von Saweli selbst verfasst h?tte. Als dieser das h?rte, staunte er m?chtig. Aber er wusste ja, dass alle dummen und ungebildeten Menschen sich f?r gro?artig halten. Wirklich kluge K?pfe dagegen waren bescheiden.
Stella wiederum war der Meinung, dass Frechheit und Selbstvertrauen die Schl?ssel zum Erfolg seien. Wer diese Eigenschaften hatte, konnte ein schwarzes Viereck auf ein wei?es Blatt Papier malen und mit gr??ter Selbstverst?ndlichkeit f?r Millionen Rubel verkaufen, w?hrend die Bilder, an denen andere tage-, wochen-, monate-, gar jahrelang m?hevoll gearbeitet hatten, f?r ganze tausend Hrywnja an der U-Bahn-Station verscherbelt wurden. Darum bestand die Genialit?t eines genialen Menschen zweifellos in seiner listigen Natur und im Selbstvertrauen. Denn das Leben ist ungerecht. Im Unterschied zu Saweli glaubte Stella, Natalja h?tte die erforderlichen F?higkeiten, nicht nur bei einer Bank zu arbeiten, sondern eine leitende Position zu bekleiden. Zu dieser ?berzeugung kam sie aufgrund ihrer pers?nlichen Lebenseinstellung.
Natalja wurde tats?chlich einmal zu einem Vorstellungsgespr?ch f?r eine Anstellung als Bankkassiererin eingeladen und seltsamerweise auch sofort eingestellt. Aber es gab eine Unannehmlichkeit. Der Lohn betrug mickrige hundert Dollar, berechnet in US-W?hrung.
Natalja war geschockt. Sie erz?hlte ihrer Freundin fast unter Tr?nen, diesen Betrag h?tte sie problemlos verdienen k?nnen, auch ohne an einem Schalter neben fetten alten Kassiererinnen zu sitzen.
„Hahaha!“ Stella bekam feuchte Augen vor Lachen. „Du vergeudest deine Zeit, Natalja! So eine Stelle kannst du annehmen, wenn deine pers?nliche Bank zwischen deinen Beinen keinen Gewinn mehr bringt. Wozu brauchst du das jetzt?“
„Ich will aufh?ren, Stella! Ich habe Angst!“
„Wovor?“
„Vor der Strafe Gottes.“
„Das f?llt dir ja rechtzeitig ein, M?dchen.“
„Spotte bitte nicht.“
„Also gut, Spott beiseite. Geh ruhig f?r einen Hunderter malochen, ich hab nichts dagegen.“
„Stella, versteh doch. Den Leuten geht allm?hlich auf, dass unsere Agentur reine Betr?gerei ist. Sie schreiben b?se Kommentare auf unserer Webseite. Ich f?rchte, dass die Bullen uns bald schnappen. Dann sind wir sind erledigt! Tsch?ss, Mama! Schick mir Briefe ins Gef?ngnis!“
„Jetzt erschreck mich nicht! Ich habe keine Lust auf Knast.“
„Du wei?t doch selber, vor dem Gef?ngnis ist niemand sicher.“
„Das wei? ich, aber sitzen w?rde ich nicht. Lieber sterben.“
„Jetzt erschreckst du mich.“
Stella wurde nachdenklich. Sie wog das F?r und Wider ab und sagte:
„Du hast recht. Wir haben jetzt weniger Leute und der Ruf der Firma ist alles andere als erfreulich, da l?sst sich nicht leugnen. Wir nehmen alle um uns herum aus, bezahlen unser Studium, trinken, spielen in Kasino und geben Geld aus.“
„Bitte nicht verallgemeinern. Ich spare.“
„Also gut, ich gebe mein Geld aus. Aber was du dir zusammengespart hast, w?rde dir bei deinen Anspr?chen auch nicht zum Leben reichen, oder?“
„Nat?rlich nicht.“
„Das bedeutet, dass wir eine andere Einnahmequelle brauchen.“
„Ja, ja! Wir m?ssen die Firma dichtmachen, Stella! Mein Herz sagt mir, dass etwas nicht stimmt.“
„Gut, lass mich ?berlegen, was wir unternehmen k?nnten.“
Stella verlie? ihre Freundin etwas verwirrt und missgelaunt. Die Gedanken drehten sich in ihrem Kopf auf der Suche nach einer Idee. Sie wollte nicht ohne Natalja weitermachen, die beiden arbeiteten ja trotz aller Meinungsverschiedenheiten ganz gut zusammen, verstanden einander auf Anhieb. Natalja k?nnte mit einer normalen Arbeit problemlos Geld verdienen und dazu noch ihr altes Gewerbe am Wochenende betreiben. Aber Stella h?tte damit Schwierigkeiten. Sie ging nur mit M?nnern ins Bett, die sie wirklich mochte. Das einzige, womit sie gut verdienen konnte, waren Gaunereien, ihre Theaterauff?hrungen, wo sie ihre Kunst, Tr?nen zu vergie?en, wann immer sie es brauchte, geschickt einsetzte. Nicht damit, ihren K?rper zu verkaufen. Das war nicht ihr Ding. Das Bett, K?sse, intime Beziehungen endeten f?r sie nicht mit Phrasen wie: „Ihre Zeit ist abgelaufen. M?chten Sie verl?ngern?“ – „Nein, zieh dich an und hau ab, du Schlampe!“
Sie musste noch ein Jahr in Kiew arbeiten, wenn sie ihr Studium nicht abbrechen wollte. Ihr war es wichtig, die Universit?t abzuschlie?en. Natalja sollte ihr Diplom in diesem Jahr erhalten, Stella erst im n?chsten.
„Was jetzt? Denk gef?lligst!“, befahl Stella, die konservative Strategin, sich selbst.
Hurr!
Der Erhalt ihres Diploms war ein gro?es Ereignis in Nataljas Leben. Endlich hatte sie sich aus dem Netz dieses verdammten Studiums befreit, dem sie sowieso nur fl?chtig nachgegangen war, weil eine ganz andere T?tigkeit sie voll auslastete. „Diese f?nf Jahre waren eine reine H?lle! Ein Rattenrennen!“ Selbst ein Hamster in seinem Laufrad war nicht so m?de, k?rperlich und psychisch, wie Natalja. Gott sei Dank hatte sie immerhin keine Geldprobleme! Das war die Hauptsache.
Sie weinte und lachte gleichzeitig. Offenbar hatte das Amphetamin ihre Nerven endg?ltig zerst?rt. Sie wurde aggressiver und schrie unwillk?rlich Menschen an.