„Bitte nicht so schnell“, sagte er h?flich.
„Entschuldigen Sie bitte, aber Sie schreiben so langsam, dass ich schon Angst habe, meinen Flug nach Tschita zu verpassen. K?nnen Sie sich bitte beeilen?“
„Ja, nat?rlich. Sagen Sie, was ist das f?r ein Formular? Es sieht anders aus als bei uns in Lugansk.“
„Sie sind in jeder Stadt anders. Sie sehen wie ein gebildeter Mensch aus und wussten das nicht?
„Leider nicht. Aber jetzt wei? ich's.“
Er unterzeichnete den Mietvertrag mit einer Kaution f?r drei Monate. Natalja legte schnell die Bratkartoffeln auf den Teller, schob ihn zu ihm zu und sagte l?chelnd:
„Essen Sie bitte. Ich muss noch einige Sachen packen.“ Sie verschwand hinter der T?r des Nebenzimmers. Stella stand an der T?r gerade wie ein Soldat und beobachtete, wie der Mann mit dem L?cheln eines unschuldigen J?nglings die Kartoffeln verputzte.
„Guten Appetit“, sagte Stella laut und st?rte seine Euphorie. Er wandte ihr schnell das Gesicht zu, aber sein Interesse an ihr schien weniger ausgepr?gt zu sein.
„Eine nette Frau, nicht wahr?“
„Ja, sie ist sehr nett. Alle m?gen sie, durch die Bank“, erwiderte Stella. In seinen Augen blitzte ein Hoffnungsschimmer auf.
„Sie haben gro?es Gl?ck, so eine Wohnung und so eine Vermieterin zu finden“, sagte Stella mit einem schelmischen Augenzwinkern zu ihrem Landsmann.
Endlich stand Natalja abreisebereit vor der T?r.
„Verzeihen Sie, ich habe es sehr eilig. Hier haben Sie die Schl?ssel. In ein paar Monaten komme ich Sie besuchen. Machen Sie sich bequem.“
„Danke sch?n.“ Es war mir ein Vergn?gen, Sie kennenzulernen. Bringen Sie den Duft n?rdlicher N?chte mit“, erwiderte der Mann mit einem L?cheln.
„Sie sind ja auch noch ein Romantiker!“
„Oh ja, das bin ich!“
Die M?dchen verlie?en die Wohnung. Langsam und laut lachend gingen sie aus dem Haus und bogen um die Ecke.
„Und jetzt… weg hier!“
Sie lie?en mehrere Gassen hinter sich und gingen im Passantenstrom auf.
„Danke! Wie bist du nur darauf gekommen, einen Bullen mitzubringen?“
„Er kommt aus meiner Stadt!“
„Hast du ihn etwa absichtlich ausgew?hlt? Um einen Landsmann auszunehmen? Oder aus Mitleid? Mit einem Obdachlosen?“
„Ahahaha! Ich platze vor Lachen, Natalja! Ich stelle mir das Gesicht des Moldawiers vor, als er einen Bullen in der Wohnung vorfindet.“
„Das w?rde ich gerne sehen. Eine Kamera installieren und sich die Reality-Show anschauen.
„Bringen Sie den Duft n?rdlicher N?chte mit!“ Pardon, aber davor m?sstest du an vergammelten tatarischen Teigtaschen riechen und ein Gespr?ch mit dem Moldawier ?berstehen, was gar nicht so einfach w?re.“
Am Flughafen wimmelte es von Menschen. Etwas sagte Stella, sie sollten nicht nach Moskau fliegen. Wenn der Moldawier nach Hause k?me und den Fall der Polizei meldete, w?rden wohl alle Flugh?fen sofort durchsucht werden.
Andererseits wussten sie, dass er ein Date hatte und schon angek?ndigt hatte, dass er sp?t zur?ckkommen w?rde. Umziehen w?rde er sich eher nicht, er war ja ein begehrter Br?utigam auf seinem Markt. Das war gewiss komisch, trotzdem war in ihrer Situation besondere Vorsicht geboten.
„Wollen wir lieber mit dem Bus fahren? Vorsichtshalber“, schlug Stella vor. „Wir einigen uns direkt mit dem Busfahrer, dann brauchen wir unsere P?sse nicht an der Kasse zu zeigen. Das w?re sicherer.“
„Ja, du hast recht.“
Zum ersten Mal h?rte Stella dem?tige Worte von ihrer Freundin. Unterwegs zum Busbahnhof wechselten sie bange Blicke und wurden erst ruhiger, als sie im Bus sa?en.
„Uh! Moskau glaubt den Tr?nen nicht. Und uns auch nicht.“
„Nein, Stella. Uns glauben alle.“
„Tja, das sollten sie lieber nicht tun.“
Die Reise war m?hsam und schien kein Ende zu nehmen. Im Bus stank es nach Essen. Eine Gruppe M?nner trank die ganze Zeit Bier, a? dazu getrockneten Fisch und lie? den anderen Fahrg?sten keine Ruhe. Auf ihren Handys lief Musik wie die der Band Leningrad. Der Fahrgastraum war widerlich muffig und dumpf.
In Moskau angekommen gingen die M?dchen gleich, sich die Wohnung anzuschauen, die sie im Voraus reserviert hatten.
Die Bude sah anst?ndig aus. Sie lag in der N?he der U-Bahnstation Otradnaja. Es gab zwei Zimmer mit Balkon und eine separate K?che. Die Fu?bodenheizung stellte in einer so kalten Stadt wie Moskau einen besonderen Vorteil dar.
„Wie lange wollen Sie hier wohnen?“, fragte die Maklerin.
„Mindestens zwei Monate. Das hatte ich Ihnen doch am Telefon gesagt.“
„Gut. Aber ich muss das Datum Ihres Auszugs zehn Tage im Voraus wissen.“
„Wir melden uns, wenn es so weit ist. Danke.“
Als sich die T?r hinter der Maklerin schloss, umarmten sich die M?dchen und h?pften vor Gl?ck herum. Sie redeten ?berschw?nglich von der Zollkontrolle an der Grenze zwischen der Ukraine und Russland. Unterwegs hatten sie keine M?glichkeit gehabt, dieses empfindliche Thema unter vier Augen zu besprechen.
„Ich war kurz vorm Herzinfarkt, als der Zollbeamte meinen Pass anstarrte wie die Mona Lisa.“
„Mein Herz hat eine Minute ausgesetzt! Ich habe mich schon auf einer kalten Knastpritsche gesehen.“
„Es gab wenig Licht an der Grenze und der Zollbeamte war schl?frig oder ganz bet?ubt von dem Gestank im Bus.“
„Tja, dieser Gestank hat uns geholfen, ohne b?se ?berraschung ?ber die Grenze zu kommen.“
„Ich habe echt Angst gehabt. Wir sind ja Verbrecherinnen. Fr?her oder sp?ter finden sie uns auch in Russland.“
„Das wird sie aber schon etwas M?he kosten“, erwiderte Natalja.
„Wei?t du, ich w?rde inzwischen auch einen Japaner heiraten, wenn ich nur nicht ins Gef?ngnis muss.“
„Erz?hl mir keine Horrorstorys. Ich w?rde lieber in den Knast gehen, als einen Japaner zu heiraten.“
„Nur gut, dass ich nach Genf gehe. Dort leben wenigstens normal gro?e, wei?e Menschen mit richtigen Augen. Schade, dass du nicht mitkommst. Das wirst du eines Tages bereuen.“