MARINA: (Verf?hrerisch.) Sind Sie entt?uscht?
DOKTOR: Im Gegenteil. ?brigens, warum haben Sie mir zuerst gesagt, dass Sie nicht verheiratet w?ren?
MARINA: H?tte ich Ihrer Meinung nach am Telefon jedem Unbekannten Einzelheiten aus meinem Privatleben erz?hlen sollen und au?erdem noch den Namen meines Mannes?
DOKTOR: Sie haben Recht. Aber es tut mir sehr Leid.
MARINA: (Spielerisch.) Was tut Ihnen Leid?
DOKTOR: W?ren Sie nicht verheiratet, dann w?rde ich Sie mit Vergn?gen hofieren.
MARINA: (Streng.) Ich verstehe Sie irgendwie nicht.
DOKTOR: (Sch?chtern.) Nein, ich… Ich meinte…
MARINA: (F?hrt fort.) Ich verstehe Sie wirklich nicht. Hofiert man denn verheiratete Frauen nicht?
DOKTOR: Man hofiert, nat?rlich…
MARINA: Und wo ist dann das Problem?
DOKTOR: Verstehen Sie, es gibt bekannte Prinzipien…
MARINA: Prinzipien?
DOKTOR: Bei mir gibt es eine Regel: Vermisch nicht Arbeit und Privatleben. Deshalb, zum Beispiel, hofiere ich nie Patientinnen.
MARINA: Sehr l?blich. Aber ich bin keine Patientin.
DOKTOR: Sie sind die Frau eines Patienten.
MARINA: Vergessen Sie das. Ich habe von diesen Regeln geh?rt: Keine Romanzen mit Arbeitskolleginnen beginnen, mit seinen Patientinnen und Studentinnen, mit den Frauen seiner Verwandten und so weiter. Wenn das alle einhalten, wer wird denn dann mit uns noch Romanzen beginnen? Merken Sie sich: Hofieren muss man immer und alle, Mitarbeiterinnen, Frauen seiner Freunde, und um so mehr, die Frauen seiner Feinde. Und, Sie werden es nicht glauben, manchmal auch seine eigene Frau.
DOKTOR: Das hei?t, Ihrer Meinung nach, sind diese Prinzipien…
MARINA: Lassen Sie die Prinzipien. Sagen Sie lieber ehrlich, dass ich Ihnen nicht genug gefalle.
DOKTOR: Ich versichere Ihnen, Sie gefallen mir sehr.
MARINA: Wenn eine Frau wirklich gef?llt, hofiert man sie und denkt an nichts anderes. Das ist das einzig richtige Prinzip.
DOKTOR: Aber mein Alter…
MARINA: Sie haben ein wunderbares Alter.
DOKTOR: Ich bin viel ?lter als Sie.
MARINA: Der Mann sollte auch ?lter sein.
DOKTOR: Werde ich in Ihren Augen nicht l?cherlich sein?
MARINA: Lassen Sie diese Gedanken. Sie sind ein Mann in der Bl?te seiner Jahre. Wir sehen fast wie Gleichaltrige aus.
DOKTOR: Das hei?t, Sie werden bestimmt nicht beleidigt sein, wenn ich Ihnen vorschlage, abends irgendwo zu essen?
MARINA: Ich werde beleidigt sein, wenn Sie mich nicht einladen. Ehrlich gesagt, das h?tten Sie viel fr?her machen sollen.
DOKTOR: Ich wei?, aber es ist schwer, sich schon beim ersten Treffen dazu zu entschlie?en.
MARINA: Und ab welchem Treffen muss ein Mann handeln, wenn nicht beim ersten? Das zweite kann ja auch nicht stattfinden.
DOKTOR: Aber so spontan, von „Null auf Hundert“…
MARINA: Was hei?t hier von „Null auf Hundert“, Doktor? Schildkr?tentempo. Und wenn schon „Hundert“, dann doch wie eine Schnecke! Wir sind schon zwei Jahre bekannt, und Sie haben erst heute beschlossen, sich f?r mich zu interessieren. Und das auch noch sehr undeutlich.
DOKTOR: Zwei Jahre? Sind Sie sicher? Haben wir uns denn fr?her getroffen?
MARINA: Jetzt erkenne ich Ihr wahres Verh?ltnis zu mir. Eine Frau, die gef?llt, vergisst man nicht.
DOKTOR: Sie gefallen mir sehr, aber… (Verstummt. In seinem Gesicht spiegelt sich offene Verwirrung. Wirkt denn der ged?chtniszerst?rende Virus wirklich so schnell?)
MARINA: (Sieht sich im Zimmer um.) Und Ihr Kabinett sieht noch imposanter und beeindruckender aus. Gleich zu sehen, dass dies die Praxis eines erfolgreichen vorw?rts strebenden Arztes ist.
DOKTOR: (Best?rzt.) Kamen Sie auch fr?her hier her?
MARINA: Nat?rlich, und nicht nur einmal. Erinnern Sie sich denn nicht? Diese kleine Bronzestatue, scheint mir, war vorher nicht da.
DOKTOR: Sind Sie sicher, dass Sie fr?her hier waren?
MARINA: Wie sollte ich denn nicht sicher sein, wenn ich selbst meinen Mann zu Ihnen gebracht habe. Erinnern Sie sich denn nicht?
DOKTOR: Ich? (Unsicher.) Weshalb denn, ich erinnere mich, nat?rlich. (Tr?ufelt in ein Glas Tropfen aus einem Fl?schchen, gie?t Wasser dazu und trinkt aus, wobei er sich bem?ht, es unbemerkt zu tun.)
MARINA: ?brigens, ich mache mir Sorgen um ihn. Entschuldigen Sie, ich muss kontrollieren, ob er nicht gegangen ist.
(Marina geht hinaus. Der Doktor f?hlt seinen Puls. Marina kehrt zur?ck.)
DOKTOR: Ist er nicht gegangen?
MARINA: Nein. Also, Doktor, ich m?chte von Ihnen eine Bescheinigung ?ber den Zustand meines Mannes bekommen, zusammen mit der Krankengeschichte ?ber alle diese Jahre. Ich bem?he mich um eine Invalidenrente f?r ihn, und das Zeugnis eines kompetenten Arztes kann dabei sehr helfen.
DOKTOR: Hm… Sehen Sie, ich habe mich noch nicht festgelegt, worin seine Krankheit besteht.
MARINA: Wie, zwei Jahre waren dazu nicht ausreichend? Einem so erfahrenen Arzt, wie Sie?
DOKTOR: „Zwei Jahre“? Sagen Sie, und Sie haben zuf?llig keine Probleme mit dem Ged?chtnis?
MARINA: Ich? Nat?rlich nicht. Woher denn?