In dem Augenblick entstand ein f?rchterlicher L?rm. Die Menschen liefen durcheinander, schrien:»Feuer! – Feuer!«Reiter sprengten durch die Stra?en – Wagen rasselten. – Aus den Fenstern eines Hauses, unfern von uns, str?mten Rauchwolken und Flammen. – Ponto sprang schnell vorw?rts, ich aber in der Angst kletterte eine hohe Leiter hinauf, die an ein Haus gelehnt, und befand mich bald auf dem Dache in voller Sicherheit. Pl?tzlich kam mir —
(Mak. Bl.)» – ganz unvermutet ?ber den Hals«, sprach F?rst Iren?us, ohne Anfrage des Hofmarschalls,»ohne Vorwort des diensttuenden Kammerherrn, beinahe – ich sag› Euch das unter uns, Meister Abraham, bringt es nicht etwa unter die Leute – beinahe unangemeldet – keine Liverei in den Vorzimmern. Die Esel spielten Brausebart im Vestibule. Spielen ist ein gro?es Laster. Schon in die T?re getreten erwischte ihn der Tafeldecker, der zum Gl?ck gerade durchging, beim Rockscho? und fragte, wer der Herr sei, und wie er ihn dem F?rsten servieren solle. Aber er hat mir wohl gefallen, es ist ein ganz artiger Mensch. Sagtet Ihr nicht, da? er sonst nichts weniger gewesen w?re, als ein purer simpler Musikant? – sogar von einigem Stande?«—
Meister Abraham versicherte, da? Kreisler allerdings sonst in ganz anderen Verh?ltnissen gelebt, die es ihm sogar verg?nnt an der f?rstlichen Tafel zu speisen, und da? nur der verw?stende Sturm der Zeit ihn aus diesen Verh?ltnissen vertrieben. ?brigens w?nsche er aber, da? der Schleier den er ?ber die Vergangenheit geworfen, unverr?ckt liegen bleiben m?ge.
«Also«, nahm der F?rst das Wort,»von Adel, vielleicht Baron – Graf – vielleicht gar – Nun man mu? nicht zu weit gehen in tr?umerischer Hoffnung! – Ich habe ein Faible f?r dergleichen Mysterien! Es war eine sch?ne Zeit nach der franz?sischen Revolution als Marquis Siegellack fabrizierten und Comtes Nachtm?tzen strickten von Filet, und nichts sein wollten als simple Monsieurs, und man sich erlustigte auf dem gro?en Maskenball. – Ja, was den Herrn von Kreisler betrifft! – Die Benzon versteht sich auf so etwas, sie r?hmte ihn, sie empfahl mir ihn, sie hat recht. An der Manier den Hut unter dem Arm zu halten, erkannte ich gleich den Mann von Bildung von feinem gel?uterten Ton.«
Der F?rst setzte noch einiges Lob ?ber Kreisler's ?u?ere Erscheinung hinzu, so da? Meister Abraham ?berzeugt war, sein Plan m?sse gelingen. Er hatte n?mlich im Sinn, den Herzensfreund dem eingebildeten Hofstaat einzuschieben als Kapellmeister, und ihn so in Sieghartsweiler festzuhalten. Als er nun aber auf's neue davon sprach, erwiderte der F?rst ganz entschieden, da? daraus ganz und gar nichts werden k?nne.
«Sagt selbst«, fuhr er dann fort,»Meister Abraham, ob es m?glich sein w?rde den angenehmen Mann in meinen engeren Familienkreis zu ziehen, wenn ich ihn zum Kapellmeister, und so zu meinem Offizianten mache? – Ich k?nnte ihm eine Hofcharge verleihen, und ihn zum Ma?tre de Plaisirs oder des Spectacles machen, aber der Mann versteht die Musik aus dem Grunde, und ist auch, wie Ihr sagt, im Theaterwesen wohl erfahren. Nun weiche ich aber nicht ab von dem Grundsatz meines h?chst seligen in Gott ruhenden Herrn Vaters, der immer behauptete, besagter Maitre m?sse um des Himmels willen sich auf die Sachen, deren Maitre er repr?sentiere, nicht verstehen, da er sich sonst gar zu sehr darum bek?mmere, und sich viel zu sehr f?r die Menschen, die dabei besch?ftigt, als da sind Schauspieler, Musikanten u. s. w., interessiere. – Also daf?r behalte Herr von Kreisler die Maske des fremden Kapellmeisters, und schreite damit hinein in die inneren Gem?cher des f?rstlichen Hauses nach dem Beispiel eines hinl?nglich vornehmen Mannes, der vor einiger Zeit in der freilich verwerflichen Maske eines schn?den Histrionen die auserlesensten Zirkel mit den anmutigsten Faxen am?sierte.«
«Und da Ihr gewisserma?en«, rief der F?rst dem Meister Abraham, der sich fortbegeben wollte, zu,»den Chargе d'affaires des Herrn von Kreisler zu machen scheinet, so will ich es Euch nicht verhehlen, da? nur zwei Dinge mir nicht recht an ihm gefallen wollen, die vielleicht mehr Gewohnheiten sind, als wirkliche Dinge. – Ihr versteht schon, wie ich das meine. – F?rs erste starrt er mir, wenn ich mit ihm spreche, geradezu ins Antlitz. Ich habe doch konsiderable Augen, kann f?rchterlich daraus blitzen, wie weiland Friedrich der Gro?e, kein Kammerjunker, kein Page wagt es aufzuschauen, wenn ich den entsetzlichen Blick auf ihn schie?end frage, ob das mauvais sujet schon wieder Schulden gemacht, oder den Marzipan aufgefressen, aber der Herr von Kreisler, den mag ich anblitzen, wie ich will, er macht sich gar nichts daraus, sondern l?chelt mich an auf eine Weise, da? – ich selbst die Augen niederschlagen mu?. Dann hat der Mann eine solche besondere Art zu sprechen, zu antworten, das Gespr?ch fortzuf?hren, da? man zuweilen ordentlich glaubt, das, was man selbst gesagt, sei eben nicht sonderlich gewesen, man w?re gewisserma?en ein Be-. Beim St. Januar, Meister, das ist ganz unausstehlich, und Ihr m??t daf?r sorgen, da? Herr von Kreisler sich diese Dinge oder Gewohnheiten abgew?hne.«
Meister Abraham versprach zu tun, was F?rst Iren?us von ihm verlangte, und wollte aufs neue davon, da erw?hnte der F?rst noch des besonderen Widerwillens, den Prinzessin Hedwige gegen den Kreisler ge?u?ert, und meinte, da? das Kind seit einiger Zeit von seltsamen Tr?umen und Einbildungen geplagt werde, weshalb der Leibarzt die Molkenkur zum n?chsten Fr?hjahr angeraten. Hedwiga sei n?mlich jetzt auf den sonderbaren Gedanken geraten, da? Kreisler dem Tollhause entsprungen, und allerlei Unheil anrichten werde bei n?chster Gelegenheit.
«Sagt«, sprach der F?rst,»sagt Meister Abraham, ob der vern?nftige Mann wohl nur die mindeste Spur der Geisteszerr?ttung an sich tr?gt?«Abraham erwiderte, da? Kreisler zwar ebensowenig verr?ckt sei, als er selbst, jedoch sich zuweilen etwas seltsam geb?rde, und in einen Zustand gerate, der beinahe dem des Prinzen Hamlet zu vergleichen, dadurch aber nur um so interessanter werde. – Soviel wie ich wei?«, nahm der F?rst das Wort,»war der junge Hamlet ein vortrefflicher Prinz aus einem alten angesehenen Regentenhause, der sich nur zu Zeiten mit der sonderbaren Idee herumtrug, da? s?mtliche Hofleute sich auf das Fl?tenblasen verstehen sollten. Hohen Personen steht es wohl an, auf Seltsames zu verfallen, es vermehrt den Respekt. Was bei dem Mann ohne Rang und Stand eine Absurdit?t zu nennen, ist bei ihnen blo? die angenehme Kapriole eines ungemeinen Geistes, welche Staunen erregen mu?, und Bewunderung. – Herr von Kreisler sollte fein im geraden Wege bleiben, will er aber durchaus den Prinzen Hamlet imitieren, so ist das ein sch?nes Streben nach dem H?hern, vielleicht veranla?t durch seine ?berwiegende Neigung zu den musikalischen Studien. Man mag es ihm verzeihen, wenn er bisweilen sich wunderlich betragen will.«—
Es schien, als wenn Meister Abraham heute nun einmal nicht aus dem Zimmer des F?rsten kommen sollte; denn wiederum rief der F?rst ihn zur?ck, als er schon die T?re ge?ffnet, und verlangte zu wissen, woher der seltsame Widerwille der Prinzessin Hedwiga gegen den Kreisler wohl r?hren m?ge. Meister Abraham erz?hlte die Art, wie Kreisler der Prinzessin und Julien zum erstenmal im Park zu Sieghartshof erschienen und meinte, da? die aufgeregte Stimmung, in der der Kapellmeister damals gewesen, auf eine Dame von zarten Nerven wohl habe feindlich wirken m?ssen.
Der F?rst gab mit einiger Heftigkeit zu erkennen, wie er hoffe, da? Herr von Kreisler nicht wirklich zu Fu?e nach Sieghartshof gekommen, sondern da? der Wagen hier oder dort im breiten Fahrwege des Parks gehalten, da nur gemeine Abenteurer zu Fu?e zu reisen pflegten.
Meister Abraham meinte, da? man zwar das Beispiel eines tapfern Offiziers vor Augen habe, der von Leipzig nach Syrakus gelaufen, ohne sich ein einziges Mal die Stiefel versohlen zu lassen, was aber den Kreisler betreffe, so sei er ?berzeugt, da? ein Wagen wirklich im Park gehalten. – Der F?rst war zufrieden. —
W?hrend sich dies im Gemach des F?rsten begab, sa? Johannes bei der R?tin Benzon vor dem sch?nsten Fl?gel, den jemals die kunstreiche Nannette Streicher gebaut, und begleitete Julien das gro?e leidenschaftliche Rezitativ der Klyt?mnestra aus Glucks» Iphigenia in Aulis.«—
Gegenw?rtiger Biograph ist leider gen?tigt, seinen Helden, soll das Portr?t richtig sein, als einen extravaganten Menschen darzustellen, der, vorz?glich was die musikalische Begeisterung betrifft, oft dem ruhigen Beobachter beinahe wie ein Wahnsinniger erscheint. Er hat ihm schon die ausschweifende Redensart nachschreiben m?ssen, da?,»als Julia sang,»aller sehns?chtige Schmerz der Liebe, alles Entz?cken s??er Tr?ume, die Hoffnung, das Verlangen, durch den Wald wogte und niederfiel wie erquickender Tau in die duftenden Blumenkelche, in die Brust horchender Nachtigallen. «Kreislers Urteil ?ber Julias Gesang scheint hiernach eben nicht von sonderlichem Wert. Versichern kann aber bemeldeter Biograph bei dieser Gelegenheit dem g?nstigen Leser, da? Julias Gesang, den er, dem Himmel sei's geklagt, niemals selbst h?rte, etwas Geheimnisvolles, etwas ganz Wunderbares, in sich getragen haben mu?. Ungemein solide Leute, die sich erst seit kurzer Zeit den Zopf wegschneiden lassen, die, nachdem sie einen t?chtigen Rechtsfall, eine maliti?s merkw?rdige Krankheit, oder einen jungen Ank?mmling von Stra?burger Pastete, geh?rig erprobt, der Umgang mit Gluck, Mozart, Beethoven, Spontini im Theater nicht im mindesten aus der schicklichen Seelenruhe brachte, ja solche Leute haben oft versichert, da?, s?nge das Fr?ulein Julia Benzon, ihnen ganz absonderlich zu Mute w?rde, sie k?nnten gar nicht sagen, wie. Eine gewisse Beklommenheit, die ihnen denn doch ein unbeschreibliches Wohlbehagen errege, bem?chtige sich ihrer ganz und gar, und oft k?men sie auf den Punkt, Narrenstreiche zu machen, und sich zu geb?rden, wie junge Phantasten und Versmacher. Anzuf?hren ist auch ferner, da? einmal, als Julia bei Hofe sang, F?rst Iren?us vernehmlich ?chzte, und als der Gesang geendet, geradezu losschritt auf Julien, ihre Hand an den Mund dr?ckte und dabei sehr weinerlich sprach:»bestes Fr?ulein!«– Der Hofmarschall wagte zu behaupten, F?rst Iren?us habe der kleinen Julia wirklich die Hand gek??t, und dabei w?ren ihm ein paar Tr?nen aus den Augen getr?pfelt. Auf Anla? der Oberhofmeisterin, wurde aber diese Behauptung, als ungeziemend, und dem Wohl des Hofes zuwider, unterdr?ckt.
Julia, einer vollen metallreichen, glockenreinen Stimme m?chtig, sang mit dem Gef?hl, mit der Begeisterung, die aus dem im Innersten bewegten Gem?t hervorstr?mt, und darin mochte wohl der wunderbare, unwiderstehliche Zauber liegen, den sie auch heute ?bte. Der Atem jedes Zuh?rers stockte, als sie sang; jeder f?hlte seine Brust beengt von s??em, namenlosem Weh, erst ein paar Augenblicke, nachher als sie geendet, brach das Entz?cken los im st?rmischen ungemessensten Beifall. Nur Kreisler sa? da, stumm und starr, zur?ckgelehnt in den Sessel: dann stand er leise und langsam auf, Julia wandte sich zu ihm mit einem Blick, der deutlich fragte:»War es denn auch wohl so recht?«– Err?tend schlug sie aber die Augen nieder, als Kreisler, die Hand aufs Herz legend, mit zitternder Stimme lispelte:»Julia!«und dann mit geb?cktem Haupte mehr schlich als ging hinter den Kreis, den die Damen geschlossen.
Mit M?he hatte die R?tin Benzon Prinzessin Hedwiga dahin vermocht, in der Abendgesellschaft zu erscheinen, wo sie den Kapellmeister Kreisler antreffen mu?te. Sie gab nur nach, als die R?tin ihr sehr ernsthaft vorstellte, wie kindisch es sein w?rde, einen Mann zu meiden, blo? weil er nicht zu den, auf eine Art und Weise, wie Scheidem?nze ausgepr?gten, zu rechnen, sondern sich in freilich hin und wieder bizarrer Eigent?mlichkeit darstelle. Zudem habe Kreisler auch Eingang gefunden bei dem F?rsten, und unm?glich w?rd' es daher sein, den seltsamen Eigensinn durchzuf?hren.
Prinzessin Hedwiga wu?te sich den ganzen Abend ?ber so geschickt zu drehen und zu wenden, da? Kreisler, dem es, harmlos und gef?gig, wie er war, wirklich galt, die Prinzessin zu vers?hnen, alles M?hens unerachtet, sich nicht ihr n?hern konnte. Den geschicktesten Man?vres wu?te sie zu begegnen mit schlauer Taktik. – Desto mehr mu?te der Benzon, die das alles bemerkt, es auffallen, als die Prinzessin jetzt pl?tzlich den Kreis der Damen durchbrach, und geradezu losschritt auf den Kapellmeister. So tief in sich versunken stand Kreisler da, da? erst die Anrede der Prinzessin, ob er allein denn keine Zeichen, keine Worte habe, f?r den Beifall, den Julia errungen, ihn aus dem Traume weckte.
«Gn?digste, «erwiderte Kreisler mit einem Ton, der die innere Bewegung verriet,»nach der bew?hrten Meinung ber?hmter Schriftsteller haben die Seligen statt des Worts nur Gedanken und Blick. – Ich war, glaub' ich, im Himmel!«
«So ist«, erwiderte die Prinzessin l?chelnd, unsere Julia ein Engel des Lichts, da sie vermochte, Ihnen das Paradies zu erschlie?en. – Jetzt bitte ich sie aber, auf einige Augenblicke den Himmel zu verlassen, und einem armen Erdenkinde, wie ich es nun einmal bin, Geh?r zu geben.«—
Die Prinzessin hielt inne, als erwarte sie, da? Kreisler etwas sage. Da dieser sie aber schweigend anschaute, mit leuchtendem Blick, schlug sie die Augen nieder, und wandte sich rasch um, so da? der leicht umgeworfene Shawl von den Schultern hinabwallte. Kreisler fa?te ihn im Fallen. Die Prinzessin blieb stehen.»Lassen Sie uns«, sprach sie dann mit unsicherm, schwankendem Ton, als ringe sie mit irgendeinem Entschlu?, als w?rd' es ihr schwer, es herauszusagen, was sie im Innern beschlossen —»lassen Sie uns von poetischen Dingen ganz prosaisch reden. Ich wei?, Sie geben Julien Unterricht im Gesange, und ich mu? gestehen, da? sie seit der Zeit in Stimme und Vortrag unendlich gewann. Das gibt mir die Hoffnung, da? Sie imstande w?ren, selbst ein mittelm??iges Talent, wie das meinige, zu heben. – Ich meine da? – «
Die Prinzessin stockte hocherr?tend, die Benzon trat hinzu, und versicherte, da? die Prinzessin sich selbst gro?es Unrecht tue, wenn sie ihr musikalisches Talent mittelm??ig nenne, da sie das Pianoforte vorz?glich spiele, und recht ausdrucksvoll singe. Kreisler, dem die Prinzessin, in ihrer Verlegenheit, auf einmal ?ber alle Ma?en liebensw?rdig erschien, ergo? sich in einen Strom freundlicher Redensarten, und schlo? damit, da? ihm nichts Gl?cklicheres begegnen k?nne, als wenn die Prinzessin es verg?nne, ihr beizustehen im Studium der Musik mit Rat und Tat.
Die Prinzessin h?rte den Kapellmeister an mit sichtlichem Wohlgefallen, und als er geendet, und der Benzon Blick ihr die seltsame Scheu vor dem artigen Mann vorwarf, da sprach sie halbleise:»Ja, ja, Benzon, Sie haben recht, ich bin wohl oft ein kindisches Kind!«– In demselben Augenblick fa?te sie, ohne hinzublicken, nach dem Shawl, den Kreisler noch immer in den H?nden hielt, und den er ihr nun hinreichte. Selbst wu?te er nicht, wie es sich begab, da? er dabei der Prinzessin Hand ber?hrte. Aber ein heftiger Pulsschlag dr?hnte ihm durch alle Nerven, und es war, als wollten ihm die Sinne vergehen. —
Wie ein Lichtstrahl, der durch finstere Wolken bricht, vernahm Kreisler Juliens Stimme.»Ich soll«, sprach sie,»noch mehr singen, lieber Kreisler! man l??t mir keine Ruhe. – Wohl m?chte ich das sch?ne Duett versuchen, das Sie mir letzthin gebracht.«—»Sie d?rfen das, nahm die Benzon das Wort, meiner Julie nicht abschlagen, lieber Kapellmeister – fort an den Fl?gel!«—
Kreisler keines Wortes m?chtig sa? am Fl?gel, schlug die ersten Akkorde des Duetts an, wie von einem seltsamen Rausch bet?rt und befangen. Julia begann:»Ah che mi manca l'anima in si fatal momento.«– Es ist n?tig zu sagen, da? die Worte dieses Duetts nach gew?hnlicher italischer Weise ganz einfach die Trennung eines liebenden Paars aussprachen, da? auf momento nat?rlicherweise sento und tormento gereimt war, und da? es wie in hundert andern Duetten ?hnlicher Art, auch nicht an dem Abbi pietade o cielo und an der pena di morir fehlte. Kreisler hatte indessen diese Worte in der h?chsten Aufregung des Gem?ts, mit einer Inbrunst komponiert, die beim Vortrage jeden, dem der Himmel nur passable Ohren gegeben, unwiderstehlich hinrei?en mu?te. Das Duett war den leidenschaftlichsten dieser Art an die Seite zu stellen, und da Kreisler nur nach dem h?chsten Ausdruck des Moments, und nicht darnach strebte, was eben ganz ruhig und bequem von der S?ngerin aufzufassen, in der Intonation ziemlich schwer geraten. So kam es, da? Julia sch?chtern, mit beinahe ungewisser Stimme, begann, und da? Kreisler eben nicht viel besser eintrat. Bald erhoben sich aber beide Stimmen auf den Wellen des Gesanges wie schimmernde Schw?ne, und wollten bald mit rauschendem Fl?gelschlag emporsteigen zu dem goldnen, strahlenden Gew?lk, bald in s??er Liebesumarmung sterbend untergehen in dem brausenden Strom der Akkorde, bis tief aufatmende Seufzer den nahen Tod verk?ndeten und das letzte Addio in dem Schrei des wilden Schmerzes, wie ein blutiger Springquell herausst?rzte aus der zerrissenen Brust.
Niemand befand sich in dem Kreise, den das Duett nicht tief ergriffen, vielen standen die hellen Tr?nen in den Augen, selbst die Benzon gestand, da? sie selbst im Theater bei irgendeiner gut dargestellten Abschiedsszene ?hnliches noch nicht empfunden. Man ?berh?ufte Julien und den Kapellmeister mit Lobspr?chen, man sprach von der wahren Begeisterung, die beide beseelt, und stellte die Komposition vielleicht noch h?her, als sie es verdiente.
Der Prinzessin Hedwiga hatte man w?hrend des Gesanges die innere Bewegung wohl angemerkt, unerachtet sie bem?ht war, ruhig zu scheinen, ja durchaus jede Teilnahme zu verbergen. Neben ihr sa? ein junges Ding von Hofdame mit roten Wangen, zum Weinen und Lachen gleich aufgelegt, der raunte sie allerlei in die Ohren, ohne da? es ihr gelang, irgend andere Antwort zu erhalten, als einzelne W?rter, in der Angst der h?fischen Konvenienz ausgesto?en. Auch der Benzon, die an der andern Seite sa?, fl?sterte sie gleichg?ltige Dinge zu, als h?re sie gar nicht auf das Duett, die, nach ihrer strengen Manier, bat aber die Gn?digste, die Unterhaltung aufzusparen bis nach geendetem Duett. Jetzt aber sprach die Prinzessin, im ganzen Gesicht gl?hend, mit blitzenden Augen, so laut, da? sie die Lobspr?che der ganzen Gesellschaft ?bert?nte.»Es wird mir nun wohl erlaubt sein, auch meine Meinung zu sagen. Ich gebe zu, da? das Duett als Komposition seinen Wert haben mag, da? meine Julie vortrefflich gesungen hat, aber ist es recht, ist es billig, da? man im gem?tlichen Zirkel, wo freundliche Unterhaltung oben anstehen soll, wo wechselseitige Anregungen Rede, Gesang, forttreiben sollen, wie einen zwischen Blumenbeeten sanft murmelnden Bach, da? man da extravagante Sachen auftischt, die das Innere zerschneiden, deren gewaltsamen zerst?renden Eindruck man nicht verwinden kann? Ich habe mich bem?ht, mein Ohr, meine Brust zu verschlie?en dem wilden Schmerz des Orkus, den Kreisler mit unser leicht verletzliches Inneres verh?hnender Kunst in T?nen aufgefa?t hat, aber niemand war so g?tig, sich meiner anzunehmen. Gern will ich meine Schw?che Ihrer Ironie preisgeben, Kapellmeister, gern will ich gestehen, da? der ?ble Eindruck Ihres Duetts mich ganz krank gemacht hat. – Gibt es denn keinen Cimarosa, keinen Paesiello, deren Kompositionen recht f?r die Gesellschaft geschrieben sind?«
«O Gott«, rief Kreisler, indem sein Gesicht in dem mannigfaltigsten Muskelspiel vibrierte, wie es allemal zu geschehen pflegte, wenn der Humor aufstieg in dem Innern,»o Gott, gn?digste Prinzessin! – wie ganz bin ich ?rmster Kapellmeister Ihrer g?tigen gn?digen Meinung! – Ist es nicht gegen alle Sitte und Kleiderordnung, die Brust mit all' der Wehmut, mit all' dem Schmerz, mit all' dem Entz?cken, das darin verschlossen, anders in die Gesellschaft zu tragen, als dick verh?llt mit dem Fichu vortrefflicher Artigkeit und Konvenienz? Taugen denn alle L?schanstalten, die der gute Ton ?berall bereitet, taugen sie wohl was, sind sie wohl hinl?nglich, um das Naphthafeuer zu d?mpfen, das hie und da hervorlodern will? Sp?lt man noch so viel Tee, noch so viel Zuckerwasser, noch so viel honettes Gespr?ch, ja noch so viel angenehmes Dudeldumdei hinunter, doch gelingt es diesem, jenem freveligen Mordbrenner, eine Congrevische Rakete ins Innere zu werfen, und die Flamme leuchtet empor, leuchtet und brennt sogar, welches dem puren Mondschein niemals geschieht! – Ja! gn?digste Prinzessin! – ja, ich! – aller Kapellmeister hienieden unseligster, ich habe sch?ndlich gefrevelt mit dem entsetzlichen Duett, das wie ein h?llisches Feuerwerk mit allerlei Leuchtkugeln, Schwanzraketen, Schw?rmern und Kanonenschl?gen durch die ganze Gesellschaft gefahren ist, und leider merk' ichs, fast ?berall gez?ndet hat! – Ha! – Feuer – Feuer – Mordio! – es brennt – Spritzenhaus auf – Wasser – Wasser – Hilfe – rettet!«
Kreisler st?rzte zu auf den Notenkasten, zog ihn hervor unter dem Fl?gel, ?ffnete ihn – warf die Noten umher – ri? eine Partitur heraus, es war Paesiellos» Molinara«, setzte sich an das Instrument, begann das Ritornell der bekannten h?bschen Ariette:» La Rachelina, Molinarina«, mit der die M?llerin auftritt. —
«Aber lieber Kreisler!«sprach Julia ganz sch?chtern und erschrocken.
Doch Kreisler warf sich vor Julien nieder auf beide Knie, und flehte:»Teuerste, holdseligste Julia! erbarmen Sie sich der hochverehrten Gesellschaft, gie?en Sie Trost in die hoffnungslosen Gem?ter, singen Sie die Rachelina! – Tun Sie es nicht, so bleibt mir nichts ?brig, als mich hier vor Ihren sichtlichen Augen hinabzust?rzen in die Verzweiflung, an deren Rand ich mich bereits befinde, und Sie halten den verlornen Maitre de la Chapelle vergebens am Rockscho?, denn indem Sie gutm?tig rufen:»Bleibe bei uns o Johannes!«so ist er schon hinabgefahren zum Acheron, und wagt im d?monischen Shawltanz die allerzierlichsten Spr?nge: darum singen Sie Werte!«
Julia tat, wiewohl, so schien es, mit einigem Widerwillen, warum Kreisler sie gebeten.
Sowie die Ariette geendet, begann Kreisler sofort das bekannte komische Duett des Notars mit der M?llerin. —
Julia's Gesang, in Stimme und Methode, neigte sich ganz zum Ernsten, Pathetischen, demungeachtet stand ihr eine Laune zu Gebote, wenn sie komische Sachen vortrug, die die reizendste Liebensw?rdigkeit selbst war. Kreisler hatte sich den seltsamen aber unwiderstehlich hinrei?enden Vortrag der italienischen Buffi zu eigen gemacht, das ging heute aber beinahe bis zur ?bertreibung, denn indem Kreisler's Stimme nicht dieselbe schien, da sie dem h?chsten dramatischen Ausdruck in tausend Nuancen sich f?gte, so schnitt er dabei auch solche absonderliche Gesichter, die einen Cato zum Lachen gebracht h?tten.
Es konnte nicht fehlen, da? alle laut aufjauchzten, losbrachen in schallendem Gel?chter.
Kreisler k??te Julien entz?ckt die Hand, die sie ihm ganz unmutig schnell wegzog.»Ach«, sprach Julie,»Kapellmeister, ich kann mich nun einmal in Ihre seltsame Launen – abenteuerliche m?cht ich sie nennen, ich kann mich nun einmal gar nicht darin finden! – Dieser Todessprung von einem Extrem zum andern zerschneidet mir die Brust! – Ich bitte Sie, lieber Kreisler, verlangen Sie nicht mehr, da? ich mit tief bewegtem Gem?t, wenn noch die T?ne der tiefsten Wehmut widerklingen in meinem Innern, da? ich dann Komisches singe, sei es auch noch so artig und h?bsch! Ich wei? es – ich vermag es, ich setze es durch, aber es macht mich ganz matt und krank. – Verlangen Sie es nicht mehr! – nicht wahr, Sie versprechen mir das, lieber Kreisler?«
Der Kapellmeister wollte antworten, in dem Augenblick umarmte aber die Prinzessin Julien st?rker, ausgelassener lachend, als es irgendeine Oberhofmeisterin f?r schicklich halten, oder verantworten kann.
«Komm an meine Brust«, rief sie,»du aller M?llerinnen holdeste, stimmreichste, launigste! – Du mystifizierst alle Barone, Amtsverweser, Notare in der ganzen Welt, und wohl noch gar – «Das ?brige, was sie noch sagen wollte, ging unter in der dr?hnenden Lache, die sie von neuem aufschlug.
Und dann sich rasch zum Kapellmeister wendend:»Sie haben mich ganz mit sich ausges?hnt, lieber Kreisler! – O jetzt verstehe ich Ihren springenden Humor. – Er ist k?stlich, in der Tat k?stlich! – Nur in dem Zwiespalt der verschiedensten Empfindungen, der feindlichsten Gef?hle – geht das h?here Leben auf! – Haben Sie Dank, herzlichen Dank – da! – ich erlaube Ihnen, mir die Hand zu k?ssen!«
Kreisler fa?te die ihm dargebotene Hand, und wiederum, wiewohl nicht so heftig als zuvor, durchdr?hnte ihn der Pulsschlag, so da? er einen Moment zu z?gern gen?tigt war, ehe er die zarten enthandschuhten Finger an den Mund dr?ckte, sich mit solchem Anstand verbeugend, als sei er noch Legationsrat. Selbst wu?te er nun nicht, wie es kam, da? ihm diese physische Empfindung bei dem Ber?hren der f?rstlichen Hand ungemein l?cherlich bed?nken wollte.»Am Ende«, sprach er zu sich selbst, als die Prinzessin ihn verlassen,»am Ende ist die Gn?digste eine Art von Leydner Flasche, und walkt honette Leute durch mit elektrischen Schl?gen nach f?rstlichem Belieben!«—
Die Prinzessin h?pfte, t?nzelte im Saal umher, lachte, tr?llerte dazwischen» La Rachelina molinarina«, und herzte und k??te bald diese, bald jene Dame, versicherte, nie in ihrem Leben sei sie froher gewesen, und das habe sie dem wackern Kapellmeister zu verdanken. Der ernsten Benzon war das alles im h?chsten Grade zuwider, sie konnte es nicht lassen, die Prinzessin endlich bei Seite zu ziehen, und ihr ins Ohr zu fl?stern:»Hedwiga, ich bitte Sie, welch ein Betragen!«
«Ich d?chte, liebe Benzon«, erwiderte die Prinzessin mit funkelnden Augen:»wir lie?en heute das Hofmeistern und gingen alle zu Bette! – Ja! – zu Bette – zu Bette!«Und damit rief sie nach ihrem Wagen.
Schweifte die Prinzessin aus in krampfhafter Lustigkeit, so war Julia indessen still und tr?be geworden. Den Kopf auf die Hand gest?tzt, sa? sie am Fl?gel, und ihr sichtliches Verbleichen, das umflorte Auge, bewies, da? ihr Unmut bis zum physischen Weh sich gesteigert.
Auch Kreislern war das Brillantfeuer des Humors verl?scht. Jedem Gespr?ch ausweichend, tappte er mit leisen Schritten nach der T?re. Die Benzon trat ihm in den Weg.»Ich wei? nicht«, sprach sie,»welche sonderbare Verstimmung heute mir – «
(M. f. f.) alles so bekannt, so heimisch vor, ein s??es Aroma, selbst wu?t' ich nicht, von welchen vortrefflichen Braten, wallte in bl?ulichen Wolken ?ber die D?cher daher, und wie aus weiter – weiter Ferne, im S?useln des Abendwindes, lispelten holde Stimmen:»Murr mein Geliebter! wo weiltest du so lange?«—
Was ist's, das die beengte Brust,
Mit Wonneschauer so durchbebt,
Den Geist zum Himmel hoch erhebt,
Ist's Ahnung hoher G?tterlust?
Ja – springe auf, du armes Herz,
Ermut'ge dich zu k?hnen Taten,
Verwandelt ist in Lust und Scherz,
Der trostlos bittre Todesschmerz,
Die Hoffnung lebt – ich rieche Braten!
So sang ich, und verlor mich, des entsetzlichen Feuerl?rms nicht achtend, in die angenehmsten Tr?ume! Doch auch hier auf dem Dache sollten mich noch die schreckhaften Erscheinungen des grotesken Weltlebens, in das ich hineingesprungen, verfolgen. Denn ehe ich mir's versah, stieg aus dem Rauchfange eines jener seltsamen Unget?me empor, die die Menschen Schornsteinfeger nennen. Kaum mich gewahrend, rief der schwarze Schlingel: Husch Katz! und warf den Besen nach mir. Dem Wurfe ausweichend, sprang ich ?ber das n?chste Dach hinweg, und hinunter in die Dachrinne. Doch wer schildert mein frohes Erstaunen, ja meinen freudigen Schreck, als ich wahrnahm, da? ich mich auf dem Hause meines wackern Herrn befand. Behende kletterte ich von Dachluke zu Dachluke, doch alle waren verschlossen. Ich erhob meine Stimme, jedoch umsonst, niemand h?rte mich. Indessen wirbelten die Rauchwolken von dem brennenden Hause hoch auf, Wasserstrahlen zischten dazwischen, tausend Stimmen schrien durcheinander, das Feuer schien bedrohlicher zu werden. Da ?ffnete sich die Dachluke, und Meister Abraham schaute heraus in seinem gelben Schlafrock.»Murr, mein guter Kater Murr, da bist du ja! – Komm hinein, komm hinein, kleiner Graupelz!«So rief der Meister freudig, als er mich erblickte. Ich unterlie? nicht, ihm durch alle Zeichen, die mir zu Gebote standen, auch meine Freude zu erkennen zu geben: es war ein sch?ner herrlicher Moment des Wiedersehens, den wir feierten. Der Meister streichelte mich, als ich zu ihm hinein in den Dachboden gesprungen, so, da? ich vor Wohlbehagen in jenes sanfte, s??e Knurren ausbrach, das die Menschen in h?hnender Verspottung mit dem Worte» spinnen «bezeichnen.»Ha ha«, sprach der Meister lachend,»ha ha, mein Junge, dir ist wohl, da du vielleicht von weiter Wanderung zur?ckgekehrt bist in die Heimat, du erkennst nicht die Gefahr in der wir schweben. – Beinahe m?chte ich wie du, ein gl?cklicher harmloser Kater sein, der sich den Teufel was schert um Feuer und Spritzenmeister, und dem kein Mobiliar verbrennen kann, da das einzige Mobile, dessen sein unsterblicher Geist m?chtig, er selbst ist.«—